Die ersten 300 Hm von Scuol nach San Jon legten wir kräftesparend mit dem Postauto zurück. Bevor wir die weiteren 1040 Hm zur Chamonna Lischana auf 2500m in Angriff nahmen, stärkten wir uns nach der langen Anfahrt vor dem Saloon des Reitstalls bei einem Znünihalt. Trotz schweisstreibender feuchtwarmer Temperatur mit anfänglich bedecktem Himmel erreichten wir unser heutiges Tagesziel in den geschätzten 3 Stunden. Mit Allegra wurden wir empfangen und ersetzten vorerst die verlorene Flüssigkeit durch Suppe und Bier. Nach dem Zimmerbezug erkundeten wir die Umgebung und erholten uns bei Sonnenschein auf dem Sitzplatz. Vor dem Nachtessen konnten wir unterhalb der Hütte ein grösseres Rudel Gemsen und von der anderen Talseite aus dem Silvrettagebiet das herannahende Gewitter beobachten. Den nächtlichen Pinklern bot sich auf dem Weg zur Aussentoilette ein schöner Ausblick auf das beleuchtete Scuol.
Nach einer vor allem für Sepp unter dem geöffneten Kippfenster luftigen Nacht und einem reichhaltigen Frühstück nahmen wir um 07:00 den Aufstieg zum roten Gipfel des Piz Lischana in Angriff. Ueber die Fuorcla da Rims erreichten wir auf 2954m den Grat, der in nördlicher Richtung zum Gipfel führte. Auf guter Wegspur über diesen, teilweise aber auch durch steile Flanken, erreichten wir den nach dem Bergsturz noch zugänglichen Vorgipfel. Der Hauptgipfel bzw. das, was nach Abbruch von ca. 2000 Kubikmetern noch übrig geblieben ist, wurde durch die Bündner Behörden abgesperrt. Ein eindrücklicher Film einer Familie, die den Bergsturz aus nächster Nähe miterlebt hatte, kann im Internet mit Stichwort „Bergsturz Lischana 31 Juli 2011“ gefunden und angesehen werden. Obwohl damit gerechnet wird, dass auch weitere Teile des Gipfels abbrechen, genossen wir die nicht ganz wolkenfreie und durch den Hauptgipfel versperrte fast Rundumsicht mit Silvretta im Vorder- und Ortler im Hintergrund. Nach einer kurzen Rast machten wir uns auf den gleichen Weg zurück zur Fuorcla und weiter zu den Lais da Rims, wo wir von Edelweiss umgeben und mit Blick auf den obersten See unser Mittagessen aus dem Rucksack einnahmen. Auf dem Weiterweg nach Norden Richtung Sur En folgte ein spektakulärer Wegabschnitt: der obere Teil der Val d'Uina, die Schlucht II Quar. Der in Fels gesprengte, gut abgesicherte Weg vermittelte schwindelerregende Tiefblicke in die Schlucht und ins Tal. Die Schlucht war früher völlig unbegehbar. Um zu den schönen Weideflächen der Alp Sursass zu gelangen, musste man den weiten, steilen und mühsamen Weg über La Stüra oder Val da Gliasen nehmen. Seit 1910 führt ein Felsenweg von 600 m Länge durch die senkrechte Wand des Quars. Die Initiative zum Bau dieses Felsenwegs kam von der Sektion Pforzheim des Deutschen Alpenvereins, welche eine Clubhütte (Pforzheimerhütte) kurz hinter der Schweizergrenze erbaut hatte. Am Ende der Schlucht tankten wir in der Alpwirtschaft Uina Dadeint nochmals Flüssigkeit aus der fernen Brauerei oder der lokalen Alpmolkerei. Die restlichen 1,5 Stunden Abstieg auf der Fahrstrasse nach Sur En waren zwar nicht mehr so steil, fuhren aber aufgrund der Distanz trotzdem in die Knochen. Auf jeden Fall waren nach dem Abstieg von total 2100 Hm und 8 Stunden Marschzeit alle froh, als wir das Dorf mit Postautohaltestelle erreichten. Für einen weiteren Restaurantbesuch reichte die Zeit leider nicht. Am Dorfbrunnen konnten wir uns noch schnell frisch machen, bevor wir die Rückreise mit Abstecher nach Sent antraten. Auf der Fahrt zum Bahnhof Scuol konnten wir nochmals einen Blick auf den Piz Lischana und die auf einem aussichtsreichen Felskopf plazierte Lischanahütte im Abendlicht werfen. Für eine zweitätige Tour in diesem Sommer fast unüblich: die Regenjacke blieb die ganze Zeit im Rucksack. Teilnehmer: Sepp Gubser (Tourenleiter), Hans-Ulrich Fräfel, Christian Holderegger (Fotos), René Moser, Peter Knabenhans (Tourenbericht/Fotos)